Mit Schlägel & Eisen in den Fels getrieben

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Ein neues Modell von Paul Wells zeigt wie der Festungsbrunnen entstand

Reichlich zwei Wochen vor der Eröffnung der neuen Ausstellung im Brunnenhaus der Festung Königstein wurde eines der neuen Modelle vom Erbauer persönlich aus England angeliefert – und gleich vor Ort aufgebaut. Paul Wells hat seine Werkstatt in Horseheath bei London. Dort entstand bereits das Modell des Kutschenzugs August des Starken für die Dauerausstellung IN LAPIDE REGIS.

Für die Ausstellung im Brunnenhaus hat er die Abteufung des Brunnens (1566-1569) in einem Modell im Maßstab 1:10 dargestellt. Kurfürst August hatte vorausgedacht und die Abteufung veranlasst, um die Wasserversorgung der künftigen Festung sicherzustellen – schon zwei Jahrzehnte bevor der Königstein tatsächlich zur Festung ausgebaut wurde.

Der Brunnen ist 152,5 Meter tief  – das Modell mit Sandsteinsockel und Holzüberdachung misst knapp über 2 Meter. Um sicherzugehen, dass die teils sehr filigranen Einzelteile und Figuren den Transport aus England ohne Blessuren überstehen, packte Paul Wells einfach alles in seinen Wagen und nahm die Fähre über den Ärmelkanal.

Das größte Einzelteil des Modells ist die Nachbildung des Sandsteins, in den der Brunnenschacht in Handarbeit getrieben wurde. Der Block sieht aus, als würde er mehrere Zentner wiegen. Aber Paul Wells und seine Assistentin tragen ihn ganz locker zu zweit vom Auto ins Brunnenhaus. Er verrät uns: alles bemalter Schaumstoff ….

Zunächst wird die Dachkonstruktion aus Holz aufgesetzt, welche den Brunnenschacht und die Seilwinde vor der Witterung schützen sollte. Dabei müssen aber auch noch dünne Kabel für die Beleuchtung gezogen werden – und zwar so, dass diese später nicht ins Auge fallen. An mehreren Stellen im Modell – unter dem Dach und im Schacht – sind „Öllampen“ positioniert, die mit Strom versorgt werden müssen. Deren unauffällige Verkabelung ist der zeitaufwändigste Teil beim Aufbau des Modells.

Nun geht es mit Drahtbürste und Pinzette ans Gras rings um das Holzdach. Paul Wells erzählt, dass er dafür Filzeinleger für Blumenkästen verwendet hat – um diese Jahreszeit gar nicht so einfach aufzutreiben! Mit der Bürste raut er das Gewebe auf und zupft die Fusseln so heraus, dass es wie trockenes Gras auf dem Felsplateau aussieht.

Danach werden die filigranen Leitern und die detailreichen Figuren der Bergmänner an ihre Positionen gebracht und mit Kleber fixiert: zwei am Boden mit Schlägel und Eisen, einer auf der Leiter und einer mit Schubkarre auf dem Plateau. Die beiden Figuren an der Seilwinde hatten schon vorher ihre Stellung bezogen.

Alle Wachsfiguren beeindrucken durch ihre ausdrucksstarken Gesichter, die von der schweren Arbeit im Bergwerk bzw. im Brunnenschacht gezeichnet sind. Die Bergmänner litten häufig unter der feuchten Kälte, die sich auf den Muskelapparat auswirkte und mit zunehmendem Alter steife Glieder verursachte. Der Gesteinsstaub war ein weiteres Problem, da er in die Luftröhre und in die Lungen gelangte und zu Silikose (Staublunge) führte. Daher lag die Lebenserwartung der Bergleute in jener Zeit nicht sehr hoch.

Die Figuren sind so täuschend echt nachgebildet, dass man glaubt, sie tragen schmutzige, abgetragene Kapuzenhemden aus Leinen und Lederschutz an Knien und Gesäß – tatsächlich ist aber alles in mühevoller Handarbeit aus Schaumstoff, Harz und Wachs hergestellt. Für die Figuren hat sich Paul Wells – wie bereits beim Kutschenzug – Unterstützung von der Spezialistin Sarah Schiff geholt.

Nach dem Ankleben der Figuren darf das Modell 1 Stunde lang nicht bewegt werden – damit der Kleber gut aushärtet. Gerade der freistehende Bergmann mit der Schubkarre braucht etwas Stützung.

 

Der Aufbau des Modells war bereits nach 2 Stunden abgeschlossen.

Da im Brunnenhaus bis zur Eröffnung weiterhin fleißig gearbeitet wird, zieht das Modell vorübergehend in eine Einhausung aus Holz, die es vor Schmutz und Beschädigungen schützen soll. In der Ausstellung wird das Modell in einer Glasvitrine zu sehen sein.

Die neue Ausstellung im Brunnenhaus wird am 9. Februar ab 13:30 Uhr feierlich eröffnet.

In den sächsischen Winterferien, während der Monate April bis Oktober sowie an den Adventswochenenden können Besucher miterleben, wie die Wasserförderung mit dem Elektromotor von 1911 funktionierte.