Abenteurer, Spion, Networker? – ein Franzose in Festungshaft auf dem Königstein

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[Von Nina Starke, 17 Jahre]

Über 300 Jahre lang gab es auf der Festung Königstein ein berüchtigtes Gefängnis. Hier saßen mehr als 1.000 Inhaftierte ein. Über viele ist nichts Genaueres über Leben und Wirken bekannt. Umso spannender, wenn die Geschichte eines bisher wenig bekannten Gefangenen aufgedeckt wird…

Jean-Henri Maubert de Gouvest kam am 18. November 1721 in Frankreich zur Welt. Nach dem Tod seiner Eltern siedelte er nach Paris um und reiste 1745 nach Leipzig. Drei Jahre später wurde Maubert de Gouvest auf Befehl des sächsischen Ministerpräsidenten, dem Grafen von Brühl, zu vier Jahren Haft auf der Festung Königstein verurteilt und dort in der Georgenburg inhaftiert. Doch welches Verbrechen hatte er begangen?

Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Der Inhaftierte selbst traf keine Aussage über seine Schuld. Umso kreativer entwarfen Zeitzeugen Theorien. Das Gefangenenverzeichnis der Festung Königstein führt als Haftgrund „wegen gefertigter Pasquille“ an. Das bedeutet, dass Maubert de Gouvest eine Spottschrift geschrieben hatte. Der zweite Ansatz besagt, dass er als Spion für Polen tätig war, Papiere und Siegel des Königs stahl und fälschte, erwischt und verhaftet wurde. Die dritte, weit weniger skandalöse Theorie lautet, dass Maubert sich freiwillig inhaftieren ließ, um ohne Aufwand Kost und Logis zu bekommen und währenddessen an seinen literarischen Werken schreiben zu können.

Privilegiert in freier Gefangenschaft

Beschriebene Möglichkeiten der Haftursache Mauberts führen jedoch zur Verwirrung über das Strafmaß. Vergehen wie das der Spionage hätten damals nicht zu einer Haft, sondern zu einem Todesurteil geführt. Das lässt vermuten, dass Maubert über den Rückhalt einflussreicher Personen verfügte. Graf von Brühl sorgte zum Beispiel dafür, dass der Franzose stets Schreibwerkzeug hatte, Spaziergänge unternehmen und Besucher empfangen durfte: Mauberts Gefängnisaufenthalt schien für ihn keine Strafe, sondern eher eine umsorgte Auszeit für seine politische und soziale Weiterbildung zu sein.

Rasanter Aufstieg und schnelles Ende

So konnte der Abenteurer in den darauffolgenden Jahren unter anderem Karriere als Schriftsteller, Offizier und Geschichtsforscher machen. Seinen sozialen Höhepunkt erreichte Maubert 1757, als er durch seine Beziehung zu Graf von Brühl zum Sekretär des Kurfürsten von Sachsen, August II., ernannt wurde. Doch schon ein Jahr später deckte ein Kritiker seine Spionagetätigkeiten auf. Danach konnte der Franzose in keinem Land mehr richtig Fuß fassen und geriet noch öfter in Gefangenschaft. Maubert wurden bei diesen Aufenthalten keine Privilegien zuerkannt. Er starb mit 46 Jahren an den gesundheitlichen Folgen der schlechten Haftbedingungen.*

Über meine Zeit auf dem Königstein: Ich habe für zwei Wochen die Festung Königstein im Rahmen eines Schülerpraktikums erkundet. Die Atmosphäre unter den Mitarbeitenden war sehr harmonisch, ich habe mich gleich wohl gefühlt. Zudem wurden meine Ausarbeitungen während der Praktikumszeit wertgeschätzt und wie in diesem Blogbeitrag weiterverwendet.

* Die Informationen stammen aus einer französischen Dissertation: Meunier-Messika, Isabelle: Jean-Henri Maubert de Gouvest (1721-1767) et l’univers des aventuriers des lettres au siècle des Lumières, Besançon: 2018.

Die Ausstellung „Gefangen auf dem Königstein“ zeigt diese Geschichte und die Schicksale der Inhaftierten von 1588 bis 1922. Berühmte Insassen des Staatsgefängnisses waren zum Beispiel Johann Friedrich Böttger, Miterfinder des europäischen Porzellans und der Sozialdemokrat August Bebel.