Die Festung Königstein und der Dresdner Maiaufstand 1849

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„Das ganze Elbtal war mit einem weißen Nebel, wie mit frisch gewaschener Wolle gefüllt und aus demselben ragten die einzelnen Felsen wie Inseln empor, indeß über uns der schönste blaue Himmel war.“
Diese romantischen Eindrücke eines Morgenspaziergangs zur Königsnase auf der Festung Königstein hielt König Johann von Sachsen in seinen Memoiren fest. Es war Mai 1849, als er sich zusammen mit seinem Bruder Friedrich August II., dem damaligen König von Sachsen auf dem Königstein aufhielt. Der Grund dieses Besuches war nicht – wie das Zitat vermuten lassen würde – ein Frühlingsausflug des Hofes auf die unbezwingbare Sachsenfestung, sondern weitaus dramatischer: die königliche Familie war auf der Flucht! In Dresden tobten Barrikadenkämpfe…

Die Vorgeschichte: Das Volk fordert Mitbestimmung

Der Auslöser des Aufstandes wurzelte tief. Seit dem Ende der Napoleonischen Kriege, aus denen Sachsen als Verlierer hervorgegangen war, hatte es keine wesentlichen Veränderungen im politischen System gegeben und die Unzufriedenheit großer Teile der Bevölkerung wuchs. Bereits 1831 hatte es Unruhen gegeben, als Diskussionen über eine erste grundlegende Verfassung Sachsens eskalierten. Der vom Dresdner Stadtverordneten Bernhard Moßdorf ausgearbeitete Verfassungsentwurf erschien den konservativen Kräften zu radikal. Moßdorf wurde zusammen mit dem Nudelfabrikanten Ludwig Anton Bertholdy als Rädelsführer des Aufstandes auf der Festung Königstein inhaftiert. Beide starben 1833 dort unter ungeklärten Umständen.
Die liberale und demokratische Opposition im industriell aufblühenden Königreich wurde allerdings stärker. Sie organisierte sich in Vereinen und gewann zunehmend Einfluss im sächsischen Landtag, der dem König 1849 sogar Steuern verweigerte, solange dieser nicht die neue liberale Reichsverfassung der Nationalversammlung in Frankfurt anerkannte. Friedrich August II. reagierte Ende April kurzerhand mit der Auflösung des Landtages. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Mit dem Sturm der aufgebrachten Dresdner Bürgerschaft auf das Hauptzeughaus brach am 3. Mai der Aufstand los.

Revolutionsexil auf dem Stein des Königs

Da die Situation für Hof und Regierung in Dresden immer bedrohlicher wurde, traf man schon Ende April Vorkehrungen für einen längeren Aufenthalt der königlichen Familie am sichersten Zufluchtsort in ganz Sachsen: auf der Festung Königstein. Hinter den Mauern der mächtigen Landesfestung, 240 Meter über der Elbe und von 170 Mann Besatzung beschützt konnte sich Friedrich August II. mit seiner Familie in Sicherheit wiegen. Am 4. Mai verließen das Königspaar sowie einige Regierungsvertreter die Residenz und fuhren an Bord eines Dampfschiffes stromaufwärts nach Königstein.

Historische Ansicht der Festung Königstein von Western mit einem spazierenden Paar im Vordergrund

Festung Königstein um 1840 | W. Bässler

Der Bruder des Königs Prinz Johann hatte sich bereits in der Nacht mit Familie per Kutsche von Weesenstein auf die Festung begeben. Insgesamt fanden sich etwa 25 Mitglieder der königlichen Familie und höhere Amtsträger auf der Festung ein. Außerdem wurden 40 Bedienstete herauf beordert. Das Herrscherpaar und die weiblichen Mitglieder der königlichen Familie logierten im Kommandantenhaus.

Bereits ab dem ersten Tag des Aufenthaltes der königlichen Familie gestaltete sich das Leben auf der Festung Königstein nach sich meist wiederholenden Abläufen. Dazu gehörten der tägliche Besuch der heiligen Messe, gemeinsame Mahlzeiten und die politische Arbeit des Königs am Vormittag.
Zu einem besonderen Ereignis während der Hofhaltung auf dem Königstein wurde der Geburtstag Friedrich August II. am 18. Mai. An diesem Tag huldigten nicht nur die Festungsbewohner und Angehörigen der hiesigen Garnison dem Monarchen, auch Vertreter des sächsischen Adels und andere prominente Gäste befanden sich unter den Gratulanten.

Zeichnerische Darstellung von Soldaten bei einer Wachparade auf dem Exerzierplatz der Festung Königstein um 1840

Wachparade auf dem Exerzierplatz der Festung Königstein um 1840

 

Das Ende der Unruhen

Am Abend des 6. Mai 1849 traf in Königstein ein Dampfschiff ein, das Munition für die kämpfenden Truppen nach Dresden bringen sollte. Die Beladung und Rückfahrt des Schiffes drohte am Widerstand der Königsteiner Bürger zu scheitern. Erst als der Festungskommandant drohte, die Stadt notfalls unter Beschuss zu nehmen, lenkten die Königsteiner schließlich ein. Am Morgen des 8. Mai traf die Munitionslieferung in Dresden ein, hatte aber keinen endscheidenden Einfluss mehr auf den Fortgang der Ereignisse. Der Aufruhr, an denen ca. 3000 Aufständische auf über 100 Barrikaden teilnahmen, wurde bis zum 9. Mai unter Beteiligung preußischer Truppen niedergeschlagen. Etwa 200 Aufständische und 30 Soldaten mussten die Kämpfe mit ihrem Leben bezahlen.

Die Festung hatte sich wie schon so oft für das Herrscherhaus bewährt. Von hier konnte der König in absoluter Sicherheit die Ereignisse in Dresden verfolgen und mit den Regierungsvertretern notwendige Entscheidungen treffen. Die sächsische Regierung und das Staatsoberhaupt blieben für das Volk präsent. Darüber hinaus diente die Festung abermals als Auslagerungsstätte wertvoller Kunstgegenstände. Am 5. Juli 1849 reiste König Friedrich August II. mit seinem Hofstaat ab und bezog seine Sommerresidenz im Schloss Pillnitz.

Bildnis des russischen Revolutionärs Michail Bakunin

Bildnis des russischen Revolutionärs Michail Bakunin | Heinrich Ditlev Mitreuter, Wikimedia Commons, gemeinfrei

Der Dresdner Maiaufstand hatte für mehrere prominente Anführer der Unruhen ein dramatisches Nachspiel. Wenige Wochen später, am 29. August 1849 wurden Otto Leonhardt Heubner, Carl August Röckel und Michael Bakunin als erste prominente Gefangene ins Staatsgefängnis auf dem Königstein eingeliefert. Weitere Verantwortliche der Barrikadenkämpfe folgten. Die ursprünglich verhängten Todesstrafen wurden in Urteile in lebenslange Haft umgewandelt. Im Frühsommer 1850 überführte man die Staatsarrestanten zur Verbüßung ihrer Strafe nach Waldheim.

Die Festung Königstein erinnert vom 28. April bis zum 5. Mai 2024 mit der Aktionswoche „Sehnsucht Freiheit“ an 175. Jahrestag des Dresdner Maiaufstandes: