Abratzky in Ketten

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Die einzige Ersteigung der Festung Königstein durch Sebastian Abratzky, 3.Teil

Zum 1. Teil und 2. Teil

Von demselben erzählt

Nach einiger Zeit bemerkte mich die Schildwache. Mein Anzug, aus einem Soldatenfracke, schwarzen Beinkleidern und einer braunen Plüschmütze bestehend, mochte ihr doch etwas feindlich vorkommen. „Wer da!“ rief mich die Schildwache an. „Sebastian Abratzky aus Mahlis!“ – „Wie sind Sie hierher gekommen?“ – „Dort herauf!“ – Dies schien dem Soldaten Spaß zu machen; indeß meine ganze Er­scheinung, die verwundeten Füße, die Blutspuren erregten doch seine Bedenken und er erklärte, mich arretieren zu müssen. Das war gegen meine Berechnung, lieber wollte ich wieder über die Brustwehr den Felsen hinabklettern. Natürlich wurde ich daran gehindert und mußte mich in mein Geschick fügen. Eine Schildwache rief der anderen die unerhörte Neuigkeit zu. Die Patrouille kam, zufälliger­weise auch der Adjutant, und wir marschierten der Haupt­wache zu; voran der Offizier, dann ich entblößten Fußes und mit den Stiefeln auf dem Rücken, hinter mir die Wache.

Ich war aufs äußerste ermattet, der Hunger peinigte mich ganz entsetzlich und ich hatte nur den einen Wunsch, recht bald etwas zu essen. Der Offizier, der vor mir herschritt, und den ich seines Federhutes halber für den Festungs­-Kommandanten hielt, konnte vielleicht zur Befriedigung meines heißesten Wunsches beitragen; ich bat ihn deshalb um etwas zu essen. Mein Versuch mißglückte aber, ich er­hielt nicht einmal Antwort. Wir kamen zur Wache. Die Kunde meines Wagnisses hatte sich bereits verbreitet und neugierig schauten die Soldaten den kecken Schornstein­feger an. Alles lief zusammen. Bald erschien der Komman­dant und nach vorläufigem Verhör wurde ich in die soge­nannte Mohrenkammer abgeführt, ein Gefängnis, das besser ist, als der Name vermuten läßt. Meine Bitte um Essen war doch nicht fruchtlos gewesen und es läßt sich denken, daß ich tüchtig zugelangt habe. Der Nachtisch wurde mir aber bitter verdorben. Meine Tür öffnete sich, ein Offizier trat herein, von einem Korporal und den Schließer be­gleitet; ich wurde an Händen und Füßen gefesselt. Ver­gebens beteuerte ich meine Harmlosigkeit; ich weinte und bat; es half alles nichts; die Tür schloß sich und ich war allein mit meinen Ketten und meinen Gedanken.

Was sollte das werden? Mir bangte vor der Zukunft. Ich erhob die Hand, die Kette klirrte. Beim genauen Besehen derselben fand ich, daß sich die Schelle mit leichter Mühe abstreifen ließ. Jetzt regte sich mein Stolz. Soll ich ein­mal Fesseln tragen, so mögen es auch solche sein, die mich drücken. Ich rief den Schließer, der bald eine andere Kette brachte. Am anderen Morgen trieb mich die Lange­weile zur abermaligen Untersuchung meines Fußgeschmeides. Das Schloß war ein sogenanntes deutsches; mit Hilfe eines krummgebogenen Nagels gelang es mir, dasselbe zu öffnen und ich verkündete dem außenstehenden Soldaten, daß ich mich durch die schwarze Kunst fessellos gemacht habe. Eiligst kam der Wachtmeister mit der 3. Kette.

Inzwischen war das Kriegsgericht zusammengetreten und ich wurde vor dasselbe zitiert. Auf Befehl des Auditeurs fielen meine Fesseln. Ein scharfes Examen begann. Ich war sehr ruhig und erzählte den Herren einfach das, was ich soeben erlebt habe.

Im Anfange mochte man wohl meinen, es sei Gefahr vor­handen; man wollte nicht glauben, daß ich einer so ge­ringen Sache halber das Leben gewagt; indeß stellte sich meine Ungefährlichkeit gar bald heraus. Fessellos wurde ich zurückgeführt. Man behandelte mich freundlich und heilte meine verwundeten Füße. Am zehnten Tage meiner Ge­fangenschaft erschien in meiner Zelle eine Patrouille, aus einem Korporal und einem gemeinen Soldaten bestehend. Draußen erwartete uns der Kommandant, in seinem Ge­folge der Adjutant und ein Maurermeister. Ich mußte genau die Stelle meines Einsteigens angeben. Dann gingen wir auf dem gewöhnlichen Fahrwege hinunter und auch hier mußte ich den Felsenriß bezeichnen, in dem ich hinaufgekommen war. Zugleich erbot ich mich, die Reise noch einmal vorzunehmen, wurde aber bedeutet, daß man von der ersten Probe genug habe. Ich wurde darauf in das Ge­fängnis zurückgebracht. Anderntags stellte man mich aber­mals vors Kriegsgericht und verkündete mir meine Freiheit mit der Bemerkung, daß ich mich in meine Heimat zu ver­fügen habe. Die Untersuchungshaft, die nun bereits 12 Tage gedauert hatte, sollte ich als Strafe für meine Verwegen­heit ansehen. Mitleidige Seelen hatten Reisegeld für mich gesammelt. Der Wachtmeister führte mich zum Tore hinaus, gab mir meinen Paß und ich war ein freier Mann. Der Paß lautete:

„Der hier vom 19. bis heute wegen unbefugten Ein­steigens in Haft gewesene Johann Friedrich Sebastian Abratzky wird nach beendigter Untersuchung über Dresden und Willsdruff in seine Heimat nach Mahlis gewiesen.

Festung Königstein, den 31. März 1848

Das Königliche Kriegsgericht daselbst“

Eine lustige, einträgliche Fahrt war aber die Reise in meine Heimat. Wohin ich kam, da mußte ich mein Abenteuer erzählen – und dann sammelte man für mich.

Wandbuch des Abratzki-Kamins

Das Klettern im Abratzky-Kamin (Schwierigkeitsgrad IV nach der sächsischen Schwierigkeitsskala) ist möglich. Allerdings sind das Übersteigen der Brustwehr und das Betreten der Festung Königstein nicht gestattet.