Die getunte Seele einer Festungskanone und die Erweckung der Starken Auguste
25 Jahre Partnerschaft zwischen den Kurfürstlich-Sächsischen Kanonieren und der Festung Königstein
Vor 25 Jahren kamen einige Mitglieder der Schützengesellschaft Friedersdorf e.V. auf die kühne Idee, eine der alten 24-pfündigen Vorderladerkanonen, die auf der Festung Königstein im Freigelände zu besichtigen sind, detailgetreu nachzubauen, aber ihr eine Seele aus Stahl eingießen zu lassen, so dass man damit präzise „scharf“ schießen kann. Die „Seele“ ist eine fast schon poetische Metapher aus der Militärtechnik für die innere Röhre einer Kanone, also dem Ort, an dem die Treibladung explodiert, um der Kanonenkugel, ihre zerstörerische Kraft zu verleihen.
Das Projekt der Friedersdorfer Kanoniere fand bereitwillige Unterstützung bei der wissenschaftlichen Abteilung des Museums Festung Königstein, die historische Zeichnungen zur Verfügung stellte und bei zahlreichen Besuchen zur Untersuchung der hier ausgestellten Kanonen beratend zu Seite stand.
Die Festungskanone mit einer Seele aus Stahl
Der Nachbau der Festungskanone dauerte insgesamt fünf Jahre. Um den Transport des nachgebauten Geschützes zu militärhistorischen Veranstaltungen und zu Wettbewerben zu ermöglichen, entschieden die Kanoniere, den Nachbau nicht in Originalgröße zu realisieren, sondern im Maßstab 4:1.
Das Ergebnis: eine 6-pfündige Kanone im Kaliber 90 mm und einem Rohrgewicht von 880 kg.
Die Originale bringen mit allein 3,5 Tonnen Rohrgewicht das vierfache auf die Waage, dazu die Lafette mit 1,5 Tonnen – zu viel um damit „auf Tour“ zu gehen.
Im Unterschied zum Originalrohr aus Bronze besteht der Nachbau aus Gusseisen – und in die innere Röhre wurde ein Stahlrohr eingegossen. Mit dieser Seele aus Stahl hält die Kanone viel mehr Schüssen stand, als die 300 Jahre alten Bronzegeschütze. Diese wurden nach ca. 100-300 Schuss wieder eingeschmolzen. Auch bei den Kugeln gibt es Unterschiede: früher wurde mit gegossenen Eisenkugeln geschossen.
Die heutigen Kugeln sind aufs hundertstel Millimeter passgenau für diesen Lauf aus Rundmaterial-Stahl gedreht worden. Sie wiegen exakt 3kg (= 6 Pfund) und werden mit 300g Treibladung verschossen. Die perfekte Abstimmung der präzise gedrehten Stahlkugeln auf den Lauf (die Seele) aus Stahl macht den Nachbau viel treffsicherer als das Original. Doch das wichtigste um ein gutes Trefferbild zu erzielen ist der jeweilige Schütze selbst!
Vordere Plätze bei den 10. Europameisterschaften der historischen leichten Feldartillerie
Erst vor kurzem belegten die Friedersdorfer Kanoniere bei der 10. EU-Meisterschaften der historischen leichten Feldartillerie in Sondershausen (12.-14. Juni 2025) hervorragende Platzierungen:
Wir gratulieren den erfolgreichen Kanonieren und der Friedersdorfer Schützengesellschaft e.V. zu diesen beeindruckenden Ergebnissen!
Ein Film für die Ausstellung im Alten Zeughaus
Seit 2014 nehmen die Friedersdorfer Kanoniere mit der nachgebauten Kanone an der militärhistorischen Veranstaltung „Kanonendonner über dem Elbtal“ teil und zeigen bei Manövern der Artillerie und Exerzierübungen eindrucksvoll die Waffentechnik und den Militäralltag vor 300 Jahren. Ihre Professionalität und Authentizität beim „Kanonendonner“ überzeugte unsere Ausstellungsmacher, dass die Friedersdorfer Kanoniere die idealen Protagonisten für einen Kurzfilm in der militärhistorischen Ausstellung im Alten Zeughaus sind.
So wurde im Jahr 2019 der Film „Wie bedient man eine Kanone“ produziert, der detailliert den Ladevorgang eines Vorderladers zeigt. Seit 2020 ist dieser in einer Medienstation im Alten Zeughaus sowie auf unserem Youtube-Kanal zu sehen. Bei den Dreharbeiten keimte bei den Kanonieren und im Festungsteam die Idee auf, eine der originalen Festungskanonen für Böllerschüsse mit Schwarzpulver- aber ohne Geschoss (Kugel) – schussbereit zu machen.
Die Wiedererweckung der Starken Auguste
Zunächst überwog die Skepsis, ob es aus museologischer Sicht verantwortbar ist, ein 300 Jahre altes Kanonenrohr derartigen Strapazen auszusetzen. Nicht auszudenken, würde es bei einer solchen Aktion bersten! Mit großer Beharrlichkeit und Sachkunde überzeugte Chefkanonier Gunter Kloss schließlich das Festungsteam um André Thieme. Voraussetzung für die „Inbetriebnahme“ eines solchen Geschützes für Böllerschüsse ist ein Prüfsiegel des Beschussamtes in Suhl.
Im April 2023 fand sich ein Team des Beschussamtes auf dem Königstein ein, um im Beisein der Friedersdorfer Kanoniere und einiger Festungsmitarbeiter die größte historische Kanone, die jemals vom Beschussamt geprüft wurde, mit immer größeren Schwarzpulverladungen zu testen. Das 300 Jahre alte Rohr hielt stand und darf seitdem mit 600 g Schwarzpulver und 900 g Vorlage (Korkscheiben oder nicht brennbare Materialien) „böllern“. Blogbeitrag zum Beschuss: Amtliche Böller-Beschußbescheinigung durch das Beschußamt Suhl (Thüringen) einer historischen Originalkanone von 1718

Taufe durch Festungschef André Thieme und Festungskommandanten Moritz August Freiherr von Spörcken (alias Gerd Jacob aus Maxen) vor dem Abfeuern der getauften Kanone „Starke Auguste“ durch die Kurfürstlich Sächsischen Kanoniere 1730 in der Schützengesellschaft Friedersdorf e.V. | Foto: Marko Förster
Im August 2023 wurde die Kanone auf den Namen „Starke Auguste“ getauft und mit einer Schauvorführung der “Kurfürstlich Sächsische Kanoniere August des Starken 1730“ in Betrieb genommen. Seitdem finden auf dem Königstein mehrmals jährlich Salutschießen mit diesem großen historischen Geschütz statt, was einmalig in Deutschland ist.
Die Begeisterung der Friedersdorfer Kanoniere im Umgang mit der Starken Auguste wirkte ansteckend auf das Festungsteam. Inzwischen haben 10 Kollegen einen sogenannten „Befähigungsschein“ in der Tasche, was die Voraussetzung ist, um mit Schwarzpulver zu hantieren und um eine Kanone bedienen zu dürfen. Die Friedersdorfer Kanoniere waren und sind dabei fantastische Lehrmeister für unsere Festungskanoniere! Wir sind Ihnen sehr dankbar für ihr unermüdliches Engagement, Geschichte lebendig zu machen.
Dass wir heute mit der Starken Auguste schießen können, verdanken wir zum größten Teil den Friedersdorfer Kanonieren. Wir freuen uns schon sehr auf die nächsten Veranstaltungen, bei denen wir ihren Donner über das Elbtal hallen lassen.
Termine 2025:
30./31. August Barockfest | 11. Oktober Salutschießen
Nachwuchs-Kanoniere gesucht!
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Schützengesellschaft Friedersdorf e.V.
Kurfürstlich-Sächsische Kanoniere August des Starken 1730
Gunter Kloss | Kapitän der Kanoniere
E-Mail g.kloss@gmx.net









