„Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein – und dann nischt wie… – los zur Festung Königstein!“
Es ist Samstag früh, die Sonne strahlt vom Himmel und verspricht einen wunderbaren Sommertag. Meine große Tochter fragt, ob ich wohl schon am frühen Morgen zu viel Sonne abbekommen hätte – wozu braucht man denn auf der Festung eine Badehose?
Die kleine Clara klärt das Rätsel auf: „Heute ist Festung Aktiv! mit ganz vielen Stationen zum Klettern, Balancieren, Trampolin springen und sogar Swimmingpools zum Planschen und Tauchen. Da müssen wir unbedingt hin!“
Die Begeisterung der großen Schwester hält sich noch in Grenzen, da müssen schon noch ein paar Argumente mehr ausgepackt werden. Die Show von BMX Flatlandweltmeister Dustyn Alt und den coolen Dresdner Trial Bikern Sebastian & Thomas lässt das Stimmungsbarometer schon eher in Richtung Festung tendieren. Aber erst als ich ankündige, mich von der Festungsmauer abzuseilen (das glaubt sie mir nicht – das will sie sehen), ist die Entscheidung gefallen: Festung aktiv! statt Badesee!
Also schnell den Rucksack gepackt und auf geht’s mit dem Auto in Richtung Königstein.
Keine fünf Minuten später biegen wir ins Parkhaus ein, es ist kurz vor 11 Uhr und alles ist noch völlig entspannt – keine Schlange an der Einfahrt und jede Menge Platz auf dem ersten Parkdeck.
Der Festungsexpress wartet direkt gegenüber des Parkhauses auf uns, aber wir nehmen das Motto des Tages „Festung aktiv!“ wörtlich und spazieren lieber hinauf. Den Panoramaaufzug kann ich den beiden Mädels aber nicht verwehren – das Gefühl im Glaskasten nach oben zu schweben und dabei die Aussicht zu genießen ist auch einfach zu schön!
Kaum oben angekommen, sind wir auch schon mittendrin im Geschehen. Nur ein paar Schritte vom Aufzug entfernt ist ein Hindernisparcours für die Trail Show von Sebastian Hopfe & Thomas Helbig aufgebaut. Die beiden Dresdner sind gerade voll in Aktion, als wir ankommen. Mit unglaublicher Geschicklichkeit, Körperbeherrschung und Balance begeistern sie uns und das gesamte Publikum. Sebastian springt und fährt mit seinem Rad auf und über abenteuerliche Kombinationen von gestapelten Holzpaletten und Baumstämmen und hat dabei sein Bike auch in der Vertikalen so gut unter Kontrolle, dass ich mich frage, ob das Gesetz der Schwerkraft tatsächlich auch für ihn gilt. Er wechselt sich mit dem BMX-Profi Dustyn Alt ab, der mit seinem Rad schwindelerregende Pirouetten auf dem Festungsplateau dreht. Mit einem Fuß auf der Hinterachse, den Lenker fest im Griff wirbelt er im Kreis, und lässt plötzlich los – erst eine Hand, dann die zweite, hält die Hände hoch – und lässt sein BMX weiter rotieren. Wir sind fasziniert vom unglaublichen technischen Können der Biker und spenden begeistert Beifall, als die Show endet.
Wir haben leider nur die letzten Minuten mitbekommen, erfahren aber, dass um 12:30 Uhr die nächste Show startet und nehmen uns vor, pünktlich wieder auf dem Plateau vor dem Offizierskasino zu sein. Bis dahin wollen wir uns Zeit für mein leicht verrücktes Vorhaben nehmen, mich an der Festungsmauer abzuseilen. Es gibt zwei Abseilstationen – eine am Seigerturm und eine am Friedenslazarett. Letztere ist nur ein paar Meter von der Bike-Show-Fläche entfernt und erstaunlicherweise noch nicht von abseilwilligen Besuchern umringt. Also nutzen wir die Gunst der Stunde und steuern zielstrebig darauf zu. Ich frage erst einmal vorsichtig nach, ob man tatsächlich ohne jegliche Kletterfähigkeiten und –Kenntnisse über diese Mauer kraxeln sollte.
Meine Bedenken werden gleich von Karin zerstreut, die mir erklärt, wie die Sicherung erfolgt – und dass sich ein erfahrener Bergsteiger parallel mit mir abseilt – so ist man nicht alleine auf dem langen Weg nach unten.
Bloß nicht lange drüber nachdenken! Die beiden Kletter-Profis treffen gerade die letzten Vorbereitungen. Ich könnte heute die erste „Abseilerin“ sein. Also los! Rucksack und Kamera lasse ich bei meinen zwei Mädels mit dem Auftrag, meinen Abstieg fotografisch festzuhalten.
Karin kümmert sich um die Vorbereitung: ich bekomme den Gurt angelegt, einen passenden Helm aufgesetzt und Handschuhe – weil das Seil schon ordentlich heiß werden kann, erklärt sie mir.
Dann darf ich mit dem Abseilgerät erstmal „Trockenübung“ machen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es ist, am Seil zu hängen, Leine zu geben und zu wieder zu stoppen. Nachdem die Kollegen die letzten Vorbereitungen an der Festungsmauer getroffen haben, darf ich meinen Karabiner einhängen und über die Mauer klettern, wo Heiko wartet, um sich mit mir parallel abzuseilen. Dabei habe ich zugegebenermaßen schon ein flaues Gefühl in der Magengrube und die Beine zittern ein bisschen. Sobald ich aber neben Heiko hänge, die Füße gegen die Wand gestellt, eine Hand am Seil, die andere am Abseilgerät, entspanne ich mich ein bisschen. Jetzt gibt’s kein Zurück mehr!
Heiko zeigt mir, wie ich die Füße stellen muss, um an der Wand zu „tänzeln“ und nicht ins Kippen zu kommen. Und mit dem Abseilgerät kann ich genau steuern, wie schnell es abwärts gehen soll.
Zuerst halte ich noch ziemlich krampfhaft das Seil fest, bis ich irgendwann mehr Vertrauen in meine Steuerung gewinne. Dann lassen wir uns zwischendurch auch mal ganz entspannt hängen und genießen die ungewöhnliche Aussicht. Hier geht’s ja nicht darum, wer zuerst unten ist. Stattdessen plaudern wir ein bisschen über die Besonderheiten beim Klettern im Elbsandsteingebirge. Heiko bietet mit seiner Firma Jetzt raus! individuelle Klettertouren mit Training an. Bis jetzt habe ich bei meinen Rad- und Wandertouren durch die Felsenwelt der Sächsischen Schweiz die Kletterer immer ehrfürchtig von unten bewundert. Mit Karin und Heiko als Coach könnte ich mir vorstellen, das Klettern auch einmal auszuprobieren. „Hast du schon gesehen, da ist ein Wespennest in der Mauer“ sagt der Kollege der sich neben uns mit einem anderen mutigen Festungsbesucher abseilt. „Ach deshalb herrscht da oben so ein reger Flugbetrieb“ antwortet Heiko, den schon vorher eine von den kleinen Biestern gestochen hatte.
Ich bin froh, dass wir schon so weit unten sind, und uns keine Wespe attackiert hat. Die letzten Meter probiere ich es trotzdem einen Zacken schneller und springe und tänzle an der Mauer herunter. Und dann haben wir es auch schon geschafft. Heiko hilft mir beim Aushängen des Karabiners und dann laufen wir zum Panoramaaufzug, der wie bestellt gerade herunterkommt. Im Nu sind wir wieder auf dem Festungsplateau, wo meine beiden Töchter schon auf mich warten. Ich gebe meine Kletterausrüstung wieder bei Karin ab und bedanke mich bei Heiko für die nette Gesellschaft beim „Abhängen“.
Meine Mädels sind sich einig dass es jetzt höchste Zeit für ein großes Eis ist – und so begeben wir uns auf die Suche nach dem leckersten Softeis auf der Festung.
Dann wird es aber wirklich Zeit, sich einen Platz für die Slackline Show von Lukas Huber & Friends zu sichern. Eine Menge schaulustiger Besucher hat sich
schon um die Slacklinearea geschart und wartet gespannt auf die beiden Jungs aus Südtirol. Als die beiden Slackliner dann abwechselnd auf der Line „bouncen“ und die verrücktesten Sprünge und Saltos zu coolen Beats zeigen, wird das begeisterte Publikum auch gleich durch den Moderator mit den wichtigsten Vokabeln vertraut gemacht:
- butt bounce: aus dem Stand mit dem Po auf die Slackline fallen lassen um anschließend wieder in den Stand zu kommen
- chest bounce: mit dem Brustkorb/Bauch auf der Slackline landen und anschließend in den Stand kommen oder direkt einen anderen Trick anschließen.
- knee drop: in die Hocke gehen und das eine Bein (am Sprunggelenk) auf der Slackline ablegen
Weil wir gerade selbst ausprobiert haben, wie schwierig es ist, auf dieser Wackelleine die Balance zu halten, sind wir von der akrobatischen Leistung der Slackliner fasziniert. Die Jungs steigern den Schwierigkeitsgrad immer weiter und wirbeln mit unglaublicher Kraft und Energie über das Seil. Slackline-Weltmeister Lukas zeigt auch seinen persönlichen „Signatur Move“ – einen Trick den er sozusagen erfunden bzw. als erster gestanden hat: der Butt Misty Flip – dabei springt man mit dem Hintern (butt) auf die Line, macht einen Vorwärtssalto mit 1,5 (540 Grad) Drehungen und landet wieder auf dem Hintern. Die Zuschauer feuern die beiden Jungs mit Applaus an, als sie ihre waghalsigsten Tricks präsentieren. Die Show endet mit zwei aufeinander folgenden Saltos von Lukas – und er schafft es sogar, danach noch auf der Line zu landen. Wir klatschen stürmischen Beifall.
Viele der Zuschauer wollen gleich nach der Show wieder selbst auf der Line üben – aber wir drei sind uns einig, dass wir erst einmal in Richtung Beachbar und Swimmingpool ziehen. Schließlich haben wir die Badehose ja nicht umsonst eingepackt…