Spione in der Kuranstalt?

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Archivarin Irina Degenhardt in unserer Bibliothek/ unserem Archiv

Archivarbeit kann begeistern!

In den sächsischen Archiven gibt es noch immer genug zur Geschichte zu erforschen und zu entdecken. So suchen unsere Museologen, Archivare und teils auch Mitglieder des Festungsvereins nach Quellen, Verzeichnissen und Belegen. Diese sollen die Erkenntnisse zur eigenen Geschichte der Festung Königstein immer weiter vervollständigen. Oft ist das mit langen Recherchen, dem Studieren vieler Dokumente, Zeit und Geduld verbunden. Aber manchmal auch mit dem gewissen Quäntchen Glück.

Zumeist geschieht das im Verborgenen. Nicht so bei uns auf der Festung Königstein! Hier gibt es ein eigenes Archiv mit einer angeschlossenen Bibliothek. Und es freuen sich alle, wenn Neues aus dem Archiv bekannt wird. Denn genau das macht die Arbeit an einem so geschichtsträchtigen Ort aufregend und spannend.

Daher möchten wir diese neuen Erkenntnisse, die unsere Mitarbeiter Irina Degenhardt und Hans-Joachim Rühle aus der eigenen Chronik und dem Hauptstaatsarchiv Dresden gewonnen haben, hier veröffentlichen:

Die Situation im Jahre 1866

Man schrieb das Jahr 1866. Sachsen befand sich an der Seite Österreichs im Krieg mit Preußen. Am 25. Mai trat der neue Festungskommandant Generalleutnant von Nostitz-Drzewiecky sein Amt an. Seinen Vorgänger, Generalleutnant Heinrich von Treitschke, hatte König Johann im April aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt. Die Festung Königstein befand sich seit 18. Juni im Kriegszustand. Die fortifikatorischen Arbeiten waren in vollem Gange. Dazu hatte man die Dunkle Appareille verbarrikadiert, die hölzerne Brücke zu derselben abgetragen, zusätzliche Geschützstände an der Eingangsfront errichtet und die Elbseite mit Faschinen verstärkt. Die Eisenbahnverbindung unterhalb der Festung wurde unterbrochen und der Schiffsverkehr auf der Elbe für Transporte gesperrt. Die Festung Königstein war verteidigungsbereit.

Hier im Archiv gibt es in den alten Akten genug zu entdecken

Kommandant und Besatzung achteten auf alles, was im Umfeld verdächtig erschien. Wie ernst diese Aufgabe genommen wurde, erfuhr ein Wanderer auf der Ebene am Lilienstein. Er hatte sich dort zum Zeichnen niedergelassen, als das Geschoß aus einem Sechspfünder der Festungsartillerie neben ihm einschlug. Auf dem Königstein wurde er für einen Spion gehalten. Einige Tage später traf die Meldung ein, auf der Neuen Schenke befände sich ein Mann, der sich als Kundschafter stark verdächtig mache. Eine Patrouille wurde losgeschickt und arretierte einen Müllergesellen aus Limbach. Man führte ihn mit verbundenen Augen auf die Festung und setzte ihn auf der Hauptwache fest. Nach zwei Tagen ließ man ihn frei.

Aber wo waren die Spione?

Die militärische Situation spitzte sich weiter zu. Preußisches Militär stand bereits im näheren Umfeld der Festung. Wo konnte der Feind noch lauern? Gab es etwa auch preußische Spione in der nahegelegenen Kuranstalt Königsbrunn im Bielatal? Unter diesen Umständen erachtete es Generalleutnant von Nostitz-Drzewiecky als seine Pflicht, auch die dortigen Gäste eingehend zu überprüfen. Dazu ließ er sich vom Direktor der Kuranstalt Dr. Julius Putzar eine Liste aller Patienten aushändigen. Die Reaktion von der Festung kam prompt: Sämtliche preußischen Kranken sollten die Kuranstalt unter Androhung von Gewalt umgehend verlassen. Der Festungskommandant genehmigte dazu eine Frist von 24 Stunden!

Dr. Putzar berichtete darüber wie folgt: „Auf meine persönliche Bitte beim Herrn General und Appelation an dessen Menschlichkeit gab derselbe einigen Kranken eine weitere Frist von 24 Stunden, fügte jedoch dieser Fristverlängerung die Bemerkung hinzu, daß dann alle (preußischen) Kranken fort müßten und wenn es Todkranke wären und zwar mit Frauen, Kindern und Dienstleuten…“ (1). Der Rücktransport der Kurpatienten gestaltete sich äußerst schwierig. Bedingt durch die Nähe des preußischen Militärs waren kaum Wagen und Pferde zu bekommen. So mussten einige Kranke bei großer Hitze den Weg nach Pirna zu Fuß antreten. Unter ihnen auch eine Familie mit kleinen Kindern.

Andere Patienten waren nach Schandau geflüchtet, um von dort ihre Heimat zu erreichen. In der bereits zitierten Quelle findet sich auch eine Aussage Dr. Putzars, die Kurpatienten betreffend: „Die bei mir befindlichen preußischen Kranken waren aber weit davon entfernt Politik zu betreiben oder gar feindliche Absichten gegen die Festung zu hegen, …“ (2).

Für die Betroffenen war dies eine tragische Begebenheit zwischen Pflichterfüllung auf der einen und menschlichem Leid auf der anderen Seite. Und doch nur eine Episode am Rande des Krieges.

Das juristische Nachspiel

Ein halbes Jahr später gab es ein juristisches Nachspiel. Dr. Putzar hoffte auf eine Entschädigung für den finanziellen Verlust, der ihm durch die Ausweisung seiner Kurgäste entstanden war.
Am 9. Januar 1867 ging bei der 1. Kammer der Ständeversammlung des Königreiches Sachsen „Die Petition des Dr. Putzar in Königsbrunn um Ersatz ihm verursachter Kriegsschäden“ ein. Die Antwort vom 16. Dezember 1867 lautete am Ende wie folgt: „…daß die Vergütung aller der durch die kriegerischen Ereignisse des vergangenen Jahres …den einzelnen Unterthanen entstandenen Gewinnverlußte zu weit führen würde, …weshalb sie der hohen Kammer empfiehlt: Die vorliegende Petition des Dr. Putzar auf sich beruhen… zu lassen (3).

Anmerkung:  Dr. med. Julius Putzar ist der Gründer der Heilanstalt Königsbrunn und Verfasser des Buches „Skizzen über die Behandlung von Krankheiten durch die Wasserheilmethode“.

Verwendete Quellen:

  • HStA Dresden, 10692 Ständeversammlung des Königreiches Sachsen, Nr. 5853
  • Ebenda
  • Empfehlung aus dem Bericht der III. Deputation der II. Kammer der Ständeversammlung des Königreiches Sachsen, HStA 10692, Nr. 5653

Zusätzliche Literatur:  Chronik der Festung Königstein, Teil 2