Vom Kugeltragen und Spießrutenlaufen – Gerichtsbarkeit auf dem Königstein

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Neben seinen militärischen und Verwaltungsaufgaben war der Festungskommandant auch der oberste Vertreter der Gerichtsbarkeit. Er bestrafte Verbrechen von Garnisonsmitgliedern „so nicht Ehre und Leben betreffen nach Gutbefinden und Vorschrifft der Kriegs-Articul“. Dem im Offiziersrang stehenden und zur Kommandantschaft gehörenden Auditeur oblag der wesentliche Teil eines Prozesses. Er war Ankläger und Verteidiger in einem. Der Profoss oder Steckenknecht vollzog die verhängten Körperstrafen. Bei Kapitalverbrechen wurde der Delinquent zur Urteilsfindung an das Kriegsgericht in Dresden überstellt. Alle Zivilisten, auch die Ehefrauen der Soldaten sowie die Diener und Mägde der Offiziere, fielen ebenso unter die Militärgerichtsbarkeit.

Nachbildung des Wohn- und Arbeitszimmers des Festungskommandanten Freiherr von Oer (1900-1904)

Häufige Vergehen waren Diebstahl, Verlassen des Postens, Widerstand gegen Vorgesetzte und vor allem Trunkenheit. Je nach Schwere oder Wiederholung des Vergehens konnte mit Arrest oder physischer Gewalt bestraft werden. Der zum Kugel- oder Flintentragen Verurteilte musste stundenlang Geschützkugeln oder mehrere Gewehre mit sich herumschleppen. Beim Pfahlstehen stand der Missetäter in voller Montur mit einem Fuß auf dem Boden, den anderen stützte er auf einen oben angespitzten Pflock, der sich in die Fußsohle bohrte.

Die härteste Körperstrafe war das „Gasse-“ oder „Spießrutenlaufen“. Der Musketier Ephraim Salomon erhielt 1767 mehrfach Bestrafungen wegen Trunkenheit, Widerrede und Angriff auf Vorgesetzte. Er musste Flinten tragen, Stockschläge und 24 Tage Arrest, dabei Arme und Beine über Kreuz angekettet, bei Wasser und Brot über sich ergehen lassen. Nachdem aber alle bisherigen Maßnahmen nicht halfen und Salomon betrunken seinen Unteroffizier erneut schlug, bestrafte ihn der Festungskommandant mit sechsmaligem Gasselaufen durch 200 Mann mit Spießruten. Das Urteil wurde am 9. November 1767 auch „zum Schreck-Exempel bey hiesiger Garnison, welche noch mit einer ziemlichen Anzahl dergleichen Trunckenbolde und Raisonneurs versehen ist“, vollzogen. Es war das einzige Mal, dass diese Strafe auf dem Königstein ausgeführt wurde.

Gefangennahme der Sächsischen Armee durch die Preußen 1756 – sicher genauso schlimm wie Spießrutenlaufen (Lithographie von Rink)