Der Tag an dem die Canalettos kamen

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Als ich gegen halb neun zur Festung fuhr, hatte sich vor dem Aufzug schon ein kleiner Stau gebildet. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die zwei Canaletto-Gemälde gerade aufs Festungsplateau gebracht wurden. Auf dem Busparkplatz stand ein großer weißer Lastwagen mit dem Lenkrad auf der falschen Seite: Damit mussten die Kunstwerke aus England transportiert worden sein.

Großer, weißer Lastwagen

Mit diesem Truck sind die Gemälde rund 1500 km unterwegs gewesen.

Die englische Firma MOMART war für den Transport bis an den Festungsfuß verantwortlich gewesen. Ab da übernahm Stephan Diesend von SCHENKERart die Verantwortung für den Transport bis in die Ausstellungsräume. Das Nadelöhr Aufzug hatte er mit seiner Mannschaft also schon gemeistert.

Mein erster Weg führte zur Magdalenenburg. Dort standen zwei große Holzkisten auf einem Anhänger. Sieben Männer waren gerade dabei, die erste Kiste vom Hänger zu heben: alle zugleich und vorsichtig auf Rollbrettern abstellen. Die Tür zur „Magda“ war das zweite Nadelöhr. Den Leihgeber aus Manchester hatten wir vertraglich zugesichert, keine Fotos vom Transport zu veröffentlichen, weshalb ich das folgende in Worte fasse.

Wir hatten schon im Herbst eine Probekiste angefertigt, um den Transport zu simulieren. Nach genau diesen Maßen waren die Kisten, in denen die Festungsansichten von Canaletto ruhten, gebaut worden. Ich fieberte mit, als die Männer die 260 Kilogramm schweren Kisten durch die Tür schoben. So sorgsam hatte ich noch nie jemand mit einer Transportkiste umgehen sehen.

Mitarbeiter tragen das Holzgestell in die Ausstellungsräume

Foto der Transportsimulation

Die Räume zur Ausstellung „Die Schönste im ganzen Land! Die Festung Königstein im Spiegel der Kunst!“ befinden sich im 2. Stock. Die Treppenhäuser sind eng. Den Transport hatten wir hier ebenfalls simuliert. Leider war es dennoch nicht möglich, die Gemälde in ihren Kisten nach oben zu tragen, denn für die notwendige Schräglage waren diese einfach zu schwer und das Risiko zu groß, dass etwas mit Gemälden oder Mannschaft passieren könnte.

Schweren Herzens lies Christopher Russel, der den Transport seitens der Manchester City Galleries begleitete, die Bilder im Foyer der Magda auspacken. Noch in Klimafolie gehüllt trugen die englischen und deutschen Transporteure die Gemälde zu sechst mit Tragegurten gemeinsam hoch. 140 Kilogramm hatten sie zu bewegen. Der Kurator Andrej Pawluschkow, die Festungschefin Dr. Angelika Taube, einige andere Mitarbeiter und ich hielten buchstäblich die Luft an, so spannend war das. Beide Canalettos kamen unversehrt oben an. Durchatmen.

Was für ein Genuss, die wertvollen Bilder erstmals auf der Festung Königstein zu haben und aus nächster Nähe betrachten zu können. Die dargestellten Details aus dem 18. Jahrhundert machen die Faszination aus. Sofort entbrannte eine Diskussion darüber, ob neben einer Menschengruppe ein kleiner Hund oder ein Affe sitzt. Ich muss mir dafür mal die Brille mitnehmen!

Blick in den Ausstellungsraum

Die Scheinwerfer und Kameras sind auf den Canaletto gerichtet.

Anschließend fand ein Pressetermin statt. Dafür verhüllten wir die Schönheiten noch einmal in weiße Tücher. Zeit für mich, mit Christopher Russel ins Gespräch zu kommen. Er erzählte mir, dass er Gemälde schon in die halbe Welt begleitet hat – Spanien, Italien, Amerika, Japan… Ins Land der aufgehenden Sonne hat der gelernte Restaurator ganze 76 Kunstwerke verschickt, einige davon wegen ihrer Größe sogar im Transportflugzeug. Dort muss dann auch immer jemand im Flugzeug mitfliegen. Den Rest transportierte ein Passagierflugzeug.

Die kritischsten Punkte sind generell die Transporte im Flughafen auf Rollbändern und in den kleinen Autos, die die Flugzeuge entladen, erzählte mir Mr. Russel. Deshalb werden Gemälde in Europa bevorzugt auf dem Landweg zu ihrem Bestimmungsort gebracht. „Unsere“ Canalettos hatten am Montag die Reise in Manchester angetreten, erreichten am Dienstag Köln und übernachteten vor ihrer letzten Etappe auf den Königstein in einer gesicherten Speditionshalle in Dresden.

Presserummel in den Ausstellungsräumen

Presseansturm bei der Enthüllung der Canalettos

Über 15 Presseleute ließen zur Enthüllung der Gemälde die Kameras kräftig klackern. Die meisten blieben sogar bis die Gemälde aufgehängt waren. Da wurde es noch einmal spannend. Der Restaurator Herr Adam diskutierte zunächst mit seinem Kollegen Russel, wie die Gemälde bestmöglich aufgehängt werden können. Dann kamen die kräftigen Männer von SCHENKERart wieder zum Einsatz und hoben die 140-Kilo-Kolosse zum Anbringen hoch. Dabei sprang einige Male die installierte Alarmanlage an. Alles funktionierte also schon korrekt.

Der MDR hat alles auf Film festgehalten: http://www.mdr.de/sachsenspiegel/video187956.html

Die Restauratoren betrachten die Rückseite des Gemäldes

Russel und Adam besprechen die Befestigung des Gemäldes

Aufhängen des Canaletto

Aufhängung des Gemäldes „Magdalenenburg, Brunnenhaus und Johannissaal auf der Festung Königstein“ von den Manchester City Galleries

Restaurator Adam auf der Leiter vor dem Gemälde

Der erste Canaletto wird fest geschraubt

Weitere Tagebucheinträge:

Warum kommen die Gemälde aus England?

Noch 25 Tage bis zur Ausstellungseröffnung