Ferrabosco: Visionär und Klischee-Italiener

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Kurfürst August hegte den Gedanken, den Königstein zur Festung auszubauen. Er ließ den Felsen im Jahr 1567 von einem italienischen Festungsbaumeister begutachten: Pietro Ferrabosco. Gemeinsam mit dem sächsischen Hofbeamten Paulus Vogel besichtigte er das Plateau und machte verschiedene Bauvorschläge, die allerdings erst von Augusts Nachfolger, Christian I. umgesetzt worden.

In der neuen Dauerausstellung hat Lisa Büscher von lifelike die beiden wieder zum Leben erweckt. Über den Wiederbelebungsprozess der Protagonisten, nach deren Vorschlägen schließlich der Königstein zur Festung ausgebaut wurde, bin ich mit der Figurenbauerin aus Berlin ins Gespräch gekommen.

Welche Herausforderungen gab es beim Bau der beiden Figuren?

Büscher: Unsere Vorlage für Ferrabosco war ein Münzportrait. Da war es eine besondere Herausforderung eine lebendige Mimik zu schaffen. Ferrabosco sollte einen visionären Blick und natürlich die Anmutung eines Italieners haben. Der erste Ferrabosco war schlichtweg zu jung und zu attraktiv geworden. Wir haben das Gesicht des Italieners also ein zweites Mal modelliert und ihn 15 Jahre älter gemacht.

Darüber hinaus war Paulus Vogels Zahnreihe eine Herausforderung. Er ist die einzige Figur mit offenem Mund. Da modelliert man eine Zahnschiene mit den acht sichtbaren Zähnen und passt diese in den Mund ein. Später im Modellierprozess wird der Unterkiefer nochmal abgenommen, die Zähne werden ausgebaut und kolloriert. Das alles ist schon etwas aufwendiger und kam hier nicht so häufig vor.

Was sind Ihre liebsten Details an den Figuren Ferrabosco und Vogel?

Büscher: Mir gefällt vor allem Ferrabosco mit seiner Handhaltung und seinem aufwendigen Kostüm mit Pumphose und Strümpfen, ein Klischee-Italiener eben. Auch den Ausdruck in seinem Gesicht finde ich besonders gelungen.

Ich habe da ein lustiges Foto auf Ihrer Facebookseite gefunden. Paulus Vogel mit Insektenaugen und abstehenden Haaren, wie kommt’s?

Büscher: Wenn wir die Figuren aus ihrer Schutzfolie herausholen, laden sie sich statisch auf, das erklärt die lustige Haarpracht. Die Plastik-Halbschalen über den Augen dienen dem Schutz von Auge, Wimpern und Augenbrauen und haben immer wieder einen gewissen Unterhaltungswert.

Vielen Dank für den kleinen Einblick in Ihre Arbeit!

Blick in die Ausstellung – Der Ferrabosco-Bericht

In der Ausstellung “IN LAPIDE REGIS – Auf dem Stein des Königs” stehen die beiden Figuren hinter Glas und man kann ihrem Gespräch nach der Inspektion des Königsteins über Kopfhörer lauschen. Der Italiener zeigt sich begeistert von den Möglichkeiten, die er hier vorfand. Vogel protokollierte die vorgeschlagenen Maßnahmen und übermittelte den Bericht an den Kurfürsten.

Hier ein Ausschnitt aus dem Gespräch der beiden Protagonisten – ein mit Akzent deutsch sprechender Italiener und ein Mann mit erzgebirgischem Zungenschlag:

Ferrabosco: Man sollte denn mit Fleiß darauf achten, wo ein Aufstieg zum Plateau möglich wäre. Diese Stellen sollten mit Mauern und Schwibbögen versehen und gesichert werden.

Vogel: Somit gäbe es nur einen Zugang auf die Festung. Sehr gut, damit wäre das Wichtigste geklärt…

Ferrabosco: No, Signore! Notieren Sie auch, dass eine Verteidigungsmauer um den zackigen Felsen gebaut werden muss. Drei Schuh dick und vier Schuh hoch!

Vogel: Das wäre lustig anzusehen!

Ferrabosco: Die Felsvorsprünge sind von Vorteil, denn man kann von ihnen aus die Flanken kontrollieren. An Orten, wo Spitzen oder Ecken heraus gehen, sollten Wächterhäuslein gebaut werden.

Vogel: Mein gnädiger Herr hätte da noch einen Wunsch: Er würde gern Gäste hier empfangen.

Ferrabosco: Ah, capito! Man könnte einen Turm geräumiger bauen und für Feste nutzen. Doch die Verteidigung muss stets den Vorrang haben.

Vogel: Fahren wir also damit fort.

Ferrabosco: Come volete. Eine Festung braucht beschusssichere Pulverhäuser, Ställe, ein Logiament für das Kriegsvolk und Stätten für die verschiedenen Handwerke. Bedenkt, dass die Besatzung nicht nur im Ernstfall möglichst unabhängig sein muss.

Vogel: Herrje, die Kosten! Können wir nicht irgendetwas einsparen?

Ferrabosco: Kaum. – Wobei… das ehemalige Kloster ist noch einigermaßen in Schuss. Ein paar Umbauten und es könnte als Zeughaus für die Waffen dienen.

Vogel: Hervorragend, das spart Geld…

Ein paar Eckdaten zum Festungsbaumeister Pietro Ferrabosco (um 1511 – nach 1588)

Der im norditalienischen Como geborene Pietro Ferrabosco trat im Alter von etwa 30 Jahren als Hofmaler in habsburgische Dienste. Bald übertrug man ihm die Inspektion und den Bau von Festungen in Ungarn, Österreich, Böhmen, Rumänien und Mähren. Berühmt machten ihn vor allem seine Befestigungen in Wien zur Zeit der Türkenkriege. 1588 verabschiedete er sich aus kaiserlich-habsburgischen Diensten und zog sich an den Comer See zurück. Ort und Datum seines Todes sind unbekannt.

Herzlichen Dank an das Kunsthistorische Museum Wien für das Zur-Verfügung-Stellen eines Fotos der Ferrabocso-Münze.

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