Paul Wells ist mit dem Kutschenzug Augusts des Starken eingetroffen
Heute wurde der Kutschenzug für die neue Dauerausstellung „In lapide regis – Auf dem Stein des Königs“ angeliefert. Paul Wells schuf das Modell in seiner Werkstatt im englischen Horseheath bei London und baut es seit heute im Torhaus des Königsteins auf. Da er den halben Nachmittag von Presse und Fernsehen dicht umringt ist, lausche ich im Hintergrund den Fragen und Antworten.
Woher weiß man, wie der Kutschenzug früher aussah?
Geduldig erzählt Paul Wells, dass es rund 40 Pferde, 56 Personen und 8 Pferdewagen sind, die er hier Stück für Stück zusammenfügt. Die Figuren sind nach historischen Vorbildern hergestellt worden. Als Vorlagen dienten ihm die Gemälde von Canaletto und Ausstellungsstücke aus anderen Museen. Im Schloss Moritzburg steht zum Beispiel ein Gepäckwagen Augusts des Starken. Im Lauensteiner Schloss im Erzgebirge findet man noch einen Korbwagen und einen historischen Wagenheber aus dieser Zeit.
Was sind die persönlichen Highlights des Zuges für den Modellbauer?
Der Korbwagen wäre die größte Herausforderung gewesen, erzählt Paul Wells dem eigens herbeigeeilten Kameramann vom MDR Sachsenspiegel. Bei einem Maßstab von 1:15 muss das eine wahre Sisyphusarbeit gewesen sein. Bei der Frage nach seiner Lieblingsfigur gerät der Brite ins Schwärmen. Im hinteren Teil des Trosses findet man eine Frau, die ein Zugpferd führt. Beide schmunzeln, vielleicht weil der angeheiterte Ehemann auf dem Korbwagen Lieder singt. Mit etwas Fantasie sind viele solcher kleinen Geschichten in dem Miniaturmodell zu entdecken, zum Beispiel vom Bauernjungen, der heimlich den Königsthron besteigt.
Wie aufwendig war der Modellbau?
Paul Wells erzählt weiterhin, dass er rund eineinhalb Jahre für das Modell gebraucht hat. In dieser Zeit war unser Kurator Andrej Pawluschkow auch zweimal in London, um sich den Fortschritt anzuschauen und Details zu besprechen. Die Figuren sind in mühevoller Handarbeit aus Schaumstoff, Glasfaser, Harz, Messing und Wachs hergestellt worden. Am aufwendigsten waren wohl die Figuren August des Starken sowie des Grafen von Wackerbarth wegen üppiger Stickereien auf Kleidung und Satteldecken gewesen. Paul Wells hat jedoch nicht alles alleine gemacht, sondern sich vor allem für die Pferde und Personen Unterstützung von der Spezialmodellbauerin Sarah Schiff geholt. Sie lebt und arbeitet ebenfalls in Großbritannien.
Was will uns das Modell erzählen?
Das Kutschenzugmodell soll den Besuchern vor Augen führen, welchen Aufwand der „Sächsische Sonnenkönig“ für seine barocken Hoffeste auf dem Königstein betrieb. Die Bauern der umliegenden Dörfer mussten Teile der Hofküche, der Kellerei und der Konditorei sowie Möbelstücke usw. mit ihren Pferdefuhrwerken natürlich unentgeltlich zur Festung transportieren. All diese Dinge ließ August der Starke nachweislich aus dem Dresdner Residenzschloss auf den Königstein bringen, erzählt unser Kurator in die Kamera. Der Kutschenzug wäre in Originalgröße etwa 120 Meter lang, sagt er.
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